Der Finanzpodcast für Anfänger
Speaker 2: Willkommen zu How I Met My Money, dem Finanzpodcast für Anfänger mit Ingo Schröder und Lena Kronenbürger. Nicole Maia-Hujat ist Arbeitssoziologin. Mit ihr sprechen wir in Teil 2 darüber, wie der Weltfrauentag entstanden ist, was kulturelle Unterschiede beim Streiken sind und woran sich, leider viel zu oft, der Wert von Arbeit bemisst.
Speaker 1: Da gibt es alle möglichen Gründe, das muss man sich im Einzelnen anschauen. Aber ich glaube, man kommt relativ weit, wenn man sich an die Geschichte der Arbeiterinnenbewegung erinnert, an einen Frauenstreik 1911 in den USA, vermittelt über verschiedene Schritte der Internationale Frauentag hervorgegangen ist, am 8. März. Zu dem Streik gab es ein Lied, das heißt Brot und Rosen. Und ich glaube, das bringt ganz gut auf den Punkt, warum gestreikt wird. Also auf der einen Seite geht es Brot. ⁓ Geld, Existenzsicherung, was ja wichtig ist bei Lohnarbeit, wenn man darauf angewiesen ist, durch den Verkauf der eigenen Arbeitskraft eben die Lebensgrundlagen zu sichern. Auf der anderen Seite geht es aber auch Rosen. Also es geht zum Beispiel eine Arbeit, die man dauerhaft machen kann. Es geht eine Arbeit, die man machen kann, ohne krank zu werden. Auch dafür wird teilweise gestreikt, was Arbeitsbedingungen angeht. Es geht teilweise Würde in der Arbeit. Das sind alles Punkte. Wenn wir uns Deutschland anschauen, da ist tatsächlich die Zahl der Themen relativ eng begrenzt. Gewerkschaften in Deutschland dürfen im Grunde genommen nur im Rahmen von Tarifverhandlungen streiken. Also politische Streiks oder Solidaritätsstreiks oder sowas sind nicht zugelassen. Also es gibt auch wilde Streiks, die dann nicht im Rahmen von Tarifverhandlungen laufen und oft auch nicht von Gewerkschaften geführt werden, sondern spontan irgendwo ausbrechen. Die sind in Deutschland aber wirklich relativ selten im Vergleich zu anderen Ländern und stürzen Gewerkschaften auch immer in größere Probleme, weil sie die Geschäftsgrundlagen, die mit den Unternehmerverbänden vereinbart sind, ein Stück weit in Frage stellen. Das sieht man aber ganz gut in anderen Ländern. Es gab zum Beispiel in Indien in letzten Jahren relativ große Streikbewegungen. die teilweise so an ganz eklatanten Würdeverletzungen angesetzt haben. Was heißt das? Das heißt zum Beispiel, dass Menschen, aus der Schicht kommen, die man früher in Indien als die Unberührbaren bezeichnet hätte, von vorgesetzten Unternehmen beleidigt werden, diskriminiert werden aufgrund ihrer Kaste. Und das in einem Kontext, wo Arbeitsbedingungen viel schlechter geworden sind, wo Arbeit in Indien, würde man sagen, informalisiert worden ist. Das heißt also im Grunde genommen mehr Auslagerung, mehr kurzfristige Verträge, mehr Subunternehmen und so weiter, weniger Beschäftigungsperspektiven und dann sozusagen noch Kastendiskriminierung. Das hat jetzt zum Beispiel bei einem großen Automobil- und Kraftfahrzeug, also Motorradhersteller, hat das vor einigen Jahren zu einem riesigen Arbeitskampf geführt, in dessen Zuge zu ganz gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist, Streikführer verhaftet worden sind, die sitzen seit mittlerweile zehn Jahren im Gefängnis. Manager wurden umgebracht im Zuge von diesen Auseinandersetzungen. Also das kann Arbeitskampf natürlich auch sein und Streik sein, besonders dort, wo die rechtlichen Wege von Konfliktaustragung verstopft sind.
Speaker 2: Ja, das finde ich total spannend, da kurz einzuhaken. Also inwiefern das auch wirklich ein Recht ist, zu streiken. Denn es ist ja nicht so, dass auch in Deutschland nicht jeder darf auf die Straße gehen und für die Arbeitsrechte kämpfen. Wenn man zum Beispiel an die Kirche denkt, hast du da vielleicht noch ein paar andere Beispiele, Nicole? Also inwiefern ist es ein Recht und wer darf in Deutschland nicht streiken?
Speaker 1: Naja, es gibt ein Streikrecht in Deutschland auf jeden Fall. Die Frage ist halt nur, wie es umgesetzt wird. Also da wir in Deutschland eine relativ enge Anbindung an den Bereich der Tarifvertragsverhandlungen haben, haben wir natürlich einen ganz großen Teil von Beschäftigten, die sich schwer tun mit Streiken, einfach weil sie nicht in der Gewerkschaft sind, weil sie nicht gewerkschaftlich vertreten werden und so weiter. Das sind dann oft wilde Streiks. Also der letzte Spektakuläre in Deutschland war zum Beispiel bei dem Lieferdienst Gorillas in Berlin, wo Beschäftigte einfach sich zusammengetan haben und sich in dem Fall gegen die Kündigung von Kollegen und Kolleginnen eingesetzt haben mit einer Arbeitsniederlegung, also mit einem Streik. Eigentlich war der nicht rechtens. Also weil es gab doch keinen Betriebsrat, keine Gewerkschaft, es gab den ganzen rechtlichen Rahmen nicht, den man eigentlich gebraucht hätte. Wir haben andere Beschäftigtengruppen, die auch Schwierigkeiten haben, zu Formen von Arbeitsniederlegungen zu kommen. Die haben formal das Recht zu streiken. Aber kann man es machen? Das bezieht sich zum Beispiel oft auf mikrantische Beschäftigte, also die zum Beispiel in der Situation sind, dass ihr Aufenthaltsstatus gebunden ist an ihre Erwerbsarbeit, die es eher vermeiden, in Konflikt zu kommen und in Arbeitskämpfen verwickelt zu werden und so weiter. Also bemerkenswerterweise haben wir in letzten Jahren eine Zunahme. in der Beteiligung von Frauen und migrantischen Beschäftigten an Streiks an gewerkschaftlicher Organisation in Deutschland. Das sind Beschäftigtengruppen, die ziemlich erschwerte Bedingungen haben, das zu tun.
Speaker 2: Vielleicht kann man noch mal kurz die Basics klären. Was heißt denn Streiken genau eigentlich? Was macht man da? Ich hab noch nie gestreikt. Ich sehe es immer nur im Fernsehen.
Speaker 1: Ja, ja, Streik heißt einfach nur Arbeitsniederlegung. Also man enthält einem Unternehmen zeitweise Arbeitskraft vor. Man lässt also, wie es früher etwas am Pfarrtisch hieß, die Räder stillstehen in einem Unternehmen. Und das ist zum Beispiel auch ein wichtiger Punkt, weil verschiedene Beschäftigtengruppen unterschiedlich gut Chancen haben, das zu tun. Also du hast ja vorhin schon irgendwie die Streiks bei der Bahn zum Beispiel angesprochen. Lokführer sind in einer super Situation, die Räder still stehen zu lassen. Also im wahrsten Sinne des Wortes. Genau, die können einfach dafür sorgen, dass die Züge nicht mehr fahren. Dasselbe gilt für viele Beschäftigte in der Industrie, die die Bänder an irgendeinem Punkt stoppen können. Und dann werden halt keine Autos mehr produziert, einen Tag lang oder eine Woche lang oder wie lange auch immer gestreikt wird. Für andere Beschäftigtengruppen ist es schwieriger. Also wenn wir jetzt zum Beispiel nachdenken über Krankenhäuser. Man streikt, da hat man aber gleichzeitig das Problem, dass die Menschen, für die man eigentlich da sein will, schlechter versorgt werden. Hätten wir früher immer gesagt, das verhindert Streiks im Pflegesektor. Inzwischen sind wir etwas schlauer. den letzten Jahren war das einer der Sektoren, in denen am meisten gestreikt worden ist. Und zwar gerade mit dem Argument, dass man durch Arbeitskämpfe sicherstellen muss, dass man sich ordentlich ⁓ Patientinnen kümmern kann, dass Krankenhäuser richtig ausgestattet werden, dass genug Personal da ist und so weiter. Also insofern haben wir ganz unterschiedliche Bedingungen.
Speaker 2: Und da noch mal ganz kurz darauf einzugehen, was du schon angesprochen hast, dieser kulturelle Unterschied, wenn es ⁓ Streike geht. Ich hab in Paris gewohnt, an der Ecke, wirklich jeden Sonntag ein neuer Protestmarsch vorbeigegangen ist und ich bin dann immer runter und hab mir noch die Schilder angeguckt. waren die wildesten Ideen, die da versucht worden durchgesetzt werden. Wie unterscheidet sich jetzt zum Beispiel Frankreich auch ein sehr aktuelles Beispiel. Die Müllberge häufen sich dort auf den Straßen aktuell, im Gegensatz zu Deutschland.
Speaker 1: Ja, also tatsächlich ist in Frankreich immer sehr viel mehr los. Also wenn Frankreich gestreikt wird, dann brennen sofort die Autoreifen und alle sind auf der Straße und rufen und so weiter. Das hat tatsächlich was damit zu tun, dass die institutionelle Einbindung von Arbeitskämpfen eine andere ist. Also in Deutschland geht die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder sehr stark zurück in den letzten Jahren. Also es ist ein bisschen aufgehalten worden, aber es ist trotzdem momentan eine Situation, in der 14 Prozent der Beschäftigten noch gewerkschaftlich organisiert sind. Das ist ein massiver Rückgang, also seit den 90er Jahren, würde ich sagen, allen Dingen zugespitzt. Trotzdem sind Gewerkschaften noch relativ stark. Die haben relativ gute Einflusskanäle, ⁓ in Verhandlungen mit Unternehmerverbänden, auch in Verhandlungen mit dem Staat teilweise, Forderungen durchzusetzen. Das ist in Frankreich zum Beispiel nicht so. Also in Frankreich sind Gewerkschaften vor allen Dingen dann mächtig, wenn sie wirklich für Öffentlichkeit sorgen. Krawall machen und so weiter. Jetzt kann man darüber diskutieren, ob das von vor der Nachteil ist, aber es sind wirklich sehr andere Bedingungen. Man muss allerdings sagen, dass es in Deutschland auch ein Stück weit die Tendenz gibt, also von den grünen Tischen, an denen man in der Nachkriegszeit wirklich viel durchsetzen konnte, muss man sagen, aber von diesen grünen Tischen ein Stück weit abzurücken, Proteste stärker in die Öffentlichkeit zu bringen, auch zu versuchen, breitere Interessengruppen mit einzubeziehen. Also vielleicht erinnert ihr euch an 2015 an den Streik in den sozialen Erziehungsdiensten. Dort haben die Beschäftigten ganz stark versucht, die Eltern zum Beispiel, die Kinder in ihren Kindergarten, Kindertagesstätten und so weiter haben, die in die Arbeitskämpfe mit einzubeziehen und zu sagen, es ist doch in eurem Interesse, dass eure Kinder gut betreut werden, dass wir ordentlich verdienen, dass wir dauerhaft in diesem Job bleiben und so weiter. Das ist, glaube ich, eine wirkliche Veränderung in den letzten Jahren, die ich auch für einen großen Fortschritt halte.
Speaker 2: Es ist sicherlich eine Form von Mitgliedergewinnung, oder? Also wenn ich für mehr Aufmerksamkeit sorge, dann werden natürlich auch mehr Leute überhaupt darauf aufmerksam, dass dann Kollegen zum Streiten gehen oder ... Möglichkeit gibt natürlich auch noch viele in unserem Podcast. Aber ist es so? Also ist es auch so ein bisschen so ein ...
Speaker 1: überhaupt ist diese so ein Instrument gerade auch.
Speaker 2: Also es soll ja, wir sprechen gleich noch drüber über die aktuellen Situationen, aber ist es auch etwas, wo man auch wieder versucht, die Form von Gewerkschaften damit auch vielleicht wieder zu stärken, weil man auch so mal nicht setzt, wie man so schön sagt?
Speaker 1: Ja, auf jeden Fall. Also überhaupt sind Gewerkschaften in letzten Jahren bisschen mutiger geworden. Also das Stichwort Organizing war in aller Munde, kommen von USA, was im Grunde genommen heißt, Organisierungsprozesse vorantreiben, in Betriebe, in Branchen geben, in denen es keine Gewerkschaften gibt, dort präsent sein, offensiv Mitglieder werben, Kampagnen durchführen und so weiter. Ist teilweise ein bisschen umstritten, wie viel das bringt, aber es ist auf jeden Fall ein ziemlicher Aufbruch gewesen. Und Streiks gehören da auch mit rein. Also Streiks sind nach allem, was wir wissen, ein ganz wichtiges Instrument, Beschäftigte zu mobilisieren, sie zusammenzubringen, ihnen auch ein Gefühl dafür zu geben, dass es einen Unterschied macht, wie sie sich verhalten. Dass sie mit den Kollegen und Kolleginnen vielleicht auch was gemeinsam haben, mit denen sie in einer ähnlichen Arbeitssituation sind. In einem Streik kommt man eben auch ins Gespräch miteinander. Man setzt sich gemeinsam für Forderungen ein. Man hat das Gefühl, gemeinsam was erreicht zu haben. Also bei Streiks gewinnen Gewerkschaftenmitglieder, das stimmt. Oft verlieren sie sie auch anschließend relativ schnell wieder. Aber es ist auf jeden Fall, was demokratische Mitbestimmungen angeht in der Arbeitswelt, ein ganz wichtiges Mittel.
Speaker 2: Jetzt habe ich ja das Thema angesprochen, Bahnstreiks. Ich fliege demnächst und hatte schon so gedacht, wenn es an Ostern nicht passiert, dann bin ich demnächst bei meinem Flieger dran. Daher sind so Streiks mir gegenüber, ja, gerade so ein Bahnstreik, die dann auf Dienstleistungen, wo ich dann ja auf öffentliche Verkehrsmittel oder auch Flugzeuge angewiesen bin in dem Moment, ist das fair gegenüber denen, die nicht streiken und darauf angewiesen sind.
Speaker 1: fair. Naja, also ich glaube, man muss es sich anschauen. Also bei jedem Streik, zum Beispiel im Bahnverkehr, sieht man die Interviews mit wütenden Kunden und Kunden, die auf dem Bahnsteig stehen, irgendwo hin wollten und da nicht hinkommen. Und das kann man auch verstehen individuell, kurzfristig sozusagen. Wenn man es ein bisschen in einer längeren Perspektive betrachtet, dann glaube ich, lässt es sich schwer von der Hand weisen, dass genau dieselben Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer natürlich ein ganz starkes Interesse daran haben. dass sie regelmäßig fahren, dass sie geführt werden von Beschäftigten, die einigermaßen bezahlt werden, die einigermaßen qualifiziert sind, die zum Beispiel nicht über Stunden kloppen am laufenden Meter und deswegen zu müde sind, Unfälle zu verhindern und so weiter. Also klar hat man Interesse daran, dass es gute Arbeitsbedingungen bei der Bahn gibt. Jetzt ist die Frage, wie setzt man das durch, diese guten Arbeitsbedingungen bei der Bahn, die die Voraussetzungen dafür sind, dass ich sicher von A nach B komme. Und da spielen die Beschäftigten einfach eine ziemlich große Rolle, indem sie dafür sorgen, dass ihre Löhne und Arbeitsbedingungen eben angemessen sind. Das ist, glaube ich, eine traurige Wahrheit, dass also solche übergeordneten Interessen teilweise gegen die Unternehmen durchgesetzt werden müssen. Ich glaube, gerade die öffentliche Daseinsvorsorge, also es ist ja nicht nur die Bahn, es ist auch Gesundheit, es ist die Post und so weiter, ist ein ganz gutes Beispiel dafür, dass man argumentieren kann, dass Beschäftigte und die Nutzer und Nutzerinnen wirklich gemeinsame Interessen haben. Aber gleichzeitig sind das Bereiche, in letzten Jahren wirklich kaputtgespart worden sind, wo Infrastrukturen verkommen, wo der Druck auf Beschäftigte unheimlich gestiegen ist. Insofern ist das ganz gut, wenn man in die Arbeitskämpfe dann eben auch die Nutzerinnen und Nutzer einbezielt sieht, weil die im eigentlichen Sinne darunter zu leiden haben, wenn diese Systeme eben nicht mehr funktionieren. Also ich weiß nicht, wie ihr das wahrgenommen habt in der aktuellen Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst. Also es gab kritische Medienberichte, aber die Schimpfer auf den Bahnsteigen waren ziemlich leise dieses Mal im Vergleich zu früheren Arbeitskämpfen. Und ich glaube, dafür gibt es Gründe. Als spätestens seit der Pandemie diskutieren doch viele darüber, dass man eine funktionierende öffentliche Infrastruktur braucht in einem Land.
Speaker 2: Ja, und jeder merkt, glaube ich, auch die Inflation an der Stelle. Und ich glaube, da entwickelt jeder auch Verständnis. Jetzt haben wir der Geheimbeweigerung bessere Arbeitsbedingungen diskutiert, aber nochmal guter Beweigerung, wie sagt man so schön, damit da rein. Was bewirken denn die Streike wirklich?
Speaker 1: Jetzt werden ja Lohnkaltstätten, aber jetzt Mut, weil die Fische. Ich glaube, die bewirken schon einiges. Also Unternehmen sind ziemlich trugempfindlich an verschiedenen Punkten und es kostet einfach eine Menge Geld, wenn Arbeit niedergelegt wird und auch schnell. Also was wir ja sehen in letzten Jahren ist, dass die Zahl der Arbeitskämpfe ziemlich zugenommen hat in Deutschland, dass es oft oder zunehmend um sehr kurze Konflikte geht. Also die EG Metall hat diesen Tarifvertrag, von dem ich vorhin erzählt habe, in 24 Stunden Streiks durchgesetzt. Im Wesentlichen Aber diese Eingriffe und auch jetzt in der jüngsten Tarifrunde, die haben schon ziemliche Wirkung. Also die führen tatsächlich dazu, dass sich Einkommensbedingungen verbessern. Wir haben vorhin über Aufwertung geredet. Es gab teilweise die Tendenz, zum Beispiel im öffentlichen Dienst der Länder, dass die unteren Lohngruppen stärker angehoben worden sind und also diese extreme Kluft zwischen den unteren und den oberen Einkommensgruppen in öffentlichen Diensten ein Stück weit geschlossen worden ist und so weiter. Das ist schon Schon ganz prima. Und außerdem, das habe ich ja vorhin schon gesagt, geht es eben nicht nur die materiellen Verbesserungen, sondern geht es auch die Erfahrung, dass man gemeinsam was erreichen kann. Dass es nicht einfach immer nur alles schlechter wird, sondern dass man dagegen auch was tun kann. Und allein schon da ist ein Streik unheimlich wichtig.
Speaker 2: Ein Ausdruck, der mich sehr berührt hat, war Armut trotz Arbeit. Wenn man jetzt wirklich tags- und nachts arbeitet, dann hat man vermutlich keine Energie mehr auch noch zu streiken oder man hat einfach so große existielle Nöte. Man denkt, wenn ich jetzt die Arbeit niederlege, wie soll ich dann die Miete zahlen? Was forderst du für diese Menschen oder was würdest du dir wünschen, vielleicht auch für politische Maßnahmen?
Speaker 1: Auf der einen Seite ist es glaube ich auch in den prekären Bereichen unheimlich wichtig, dass Menschen sich organisieren. Also wie du richtig sagst, ist es einigermaßen schwierig. Also es fehlt das Geld. Also in Gewerkschaften muss man Mitgliederbeiträge bezahlen zum Beispiel. Es fehlt aber auch die Zeit für gewerkschaftliche Aktivitäten. Deswegen ist es ein ungeheurer Erfolg, zum Beispiel was die IG BAU, Bauen, Agrar, Umwelt in letzten Jahren zum Beispiel in Reinigungsdiensten hinbekommen hat. Also, Kolleginnen im Reinigungsdienst wirklich in relativ hoher Zahl zu organisieren. Ganz unwahrscheinlich, wenn man sich das anschaut. Viele Frauen, sehr viele mit migrantischem Hintergrund, Arbeitsbedingungen, wo man in kleinen permanent wechselnden, mehrsprachigen Putzkolonnen tätig ist, in unterschiedlichen Objekten, sich kaum begegnet. Also wirklich schwierig, trotzdem hat es funktioniert. Also ich glaube, man sollte das nicht unbedingt abschreiben, dass durch gewerkschaftliche Organisierungen, auch durch Arbeitskämpfe in den Bereichen was zu bewegen ist. Auf der anderen Seite haben Gewerkschaften in den letzten Jahren teilweise ein bisschen ihre Politik verändert, weil sie gesehen haben, dass sie an bestimmte Teile des Arbeitsmarktes nicht mehr rankommen. Also 2015 gab es die große Kampagne für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, den wir ja inzwischen auch haben. der genau dieses Problem adressiert. Also dass man wenigstens so was wie eine untere Schranke einziehen muss, unterhalb derer nicht vergütet werden darf, für Beschäftigte, für die keine Tarifverträge gelten. Und es sind ja leider immer mehr Beschäftigte in Deutschland, muss man sagen, gerade in diesen prekären Bereichen. Das ist ein wichtiger Punkt. Was ich mir wünschen würde, ist auch, dass man von staatlicher Seite bestimmte Phänomene jetzt einfach mal beseitigt, die zu Missbrauch einladen. Also Minijobs zum Beispiel gehören schlicht und ergreifend abgeschafft. sind Beschäftigungsverhältnisse unterhalb von einer bestimmten Verdienst- und Arbeitszeitgrenze, die eingeführt worden sind irgendwann mal mit dem Argument, speziell Frauen mit Familienpflichten, die müssten nicht unbedingt sozialversichert sein, die könnten ja bei den Ehemännern sich mitversichern lassen. Und wir wissen inzwischen, dass Mini-Jobs für viele die Haupteinkommensquelle sind. Also zum Beispiel mehrfache Mini-Jobs und so weiter, da zu denen irgendwie durchzukommen. Das ist dann zu allem Überfluss auch noch illegal. Also weil man dann eigentlich Sozialversicherungsbeiträge zahlen müsste, wenn man drei Mini-Jobs hat. Man kann also, wenn es Ärger gibt, noch nicht mal vor ein Gericht gehen, weil man sich selbst anzeigen müsste. Solche Situationen kommen unheimlich oft vor in dem Teil der Arbeitswelt. Wenn man das einfach abschaffen würde und sagen würde, Arbeit, Lohnarbeit ist in jedem Fall sozialversichert, wäre schon viel gewonnen. Denn wir reden ja nicht nur über Armut trotz Arbeit, wir reden auch über Altersarmut nach einem langen, schweren Arbeitsleben, was unheimlich viele Frauen gerade in der Bundesrepublik treffen.
Speaker 2: Starke Forderung, Nicole, finde ich sehr gut. Das gibt mir gerade so einen Hoffnungsschimmer, weil ich schon merke, dass wie ein Klo ist in mir. ist einfach ein trauriges Thema. du gibst dem Thema auch durch die Aufklärung, die wir jetzt in diesen Folgen gehört haben, aufschwungen, sodass man sich vielleicht auch darum kümmert und auf die Straße geht oder sich wenigstens nicht aufregt. Wie Ingo, wenn du das nächste Mal reichst. Das machst du schon gut, Ingo. Einfach nichts sagen. Zum Abschluss hätte ich gerne Frage an dich. zwar, wir behandeln hier das Thema grundsätzlich Arbeit und Geld. In dieser Themenreihe habe ich dich ja auch jetzt eingeladen in den Podcast. Oder Ingo und ich haben dich eingeladen. Und du beschäftigst dich als Arbeitssoziologin schon sehr lange mit Arbeit, mit prekärer Arbeit, mit Streik, mit Geld. Und ich wollte dich fragen, du und der ganzen Community vielleicht uns eine Frage mitgibst, auf der wir vielleicht in Ruhe herumkauen können zum Thema Arbeit und Geld. Hast du da etwas, wo du denkst, da sollte sich jeder mal zu Gedanken machen?
Speaker 1: Tja, schwierige Frage. Vielleicht könnte man fragen, woran sich eigentlich der Wert von Arbeit bemisst. Was üblich ist, ist zu sagen, es hat was mit der Marktgängigkeit von Produkten oder Dienstleistungen zu tun, also damit, wie viel Profit sich mit Arbeit erzielen lässt. Man könnte fragen, ob andere Kriterien nicht vielleicht sinnvoller wären, also zum Beispiel der Aufwand oder die gesellschaftliche Nützlichkeit von Arbeit. Und wenn wir uns tatsächlich darauf einlassen würden, dass es eine Aufwertung von gesellschaftlich nützlicher Arbeit gehen soll, dann könnten wir im nächsten Schritt auf der Frage rumkauen, wer das eigentlich bezahlen soll. Wir hatten, glaube ich, in der Pandemie spätestens einen gewissen Grundkonsens in weiten Teilen der Bevölkerung, dass es mehr öffentliche Mittel geben soll für öffentliche Grundbedürfnisse, die keine Ware sind, eigentlich auch keine Ware sein sollten, aber trotzdem so behandelt werden. Zum Beispiel im Gesundheitswesen. Ganz klassisch. Da haben wir jetzt allerdings ein Problem. Denn nachdem wir jetzt ein paar Jahre über Aufwertung von Arbeit geredet haben, geht es momentan vor allen Dingen ⁓ Aufrüstung. Also Sondervermögen von 100 Milliarden für Rüstungsgüter, während auf der anderen Seite der normale Haushalt ab nächstem Jahr wieder eine Schuldenbremse haben soll. Und was ist denn der normale Haushalt? Arbeit, Soziales sind da ziemlich große Posten. Also wir können uns schon vorstellen, wie sich die Verteilungskämpfe in dem Bereich entwickeln. Und ich glaube, wir können uns auch vorstellen, dass die prekären Beschäftigtengruppen, über die wir jetzt gerade geredet haben, in diesen Verteilungskämpfen besonders schlecht abschneiden werden. Also von daher habe ich tatsächlich Hoffnung darauf, dass es mehr und erfolgreiche Organisierungen und Arbeitskämpfe auch in den Bereichen gibt.
Speaker 2: Ich danke dir für diesen tiefgründigen und wertvollen Impuls. In den Show Notes könnt ihr alle noch mal Frau Prof. Dr. Nicole Majahucha nachlesen schauen, welche Bücher sie schon verfasst hat zu den Themen, die wir jetzt angesprochen haben. Dir Nicole, danke ich sehr für deine Zeit, deine wertvollen Ausführungen. Tschüss ihr beiden. Tschüss Ingo, tschüss Nicole. Dankeschön.
Speaker 1: Tschüss Ingo, tschüss Lena und vielen Dank für die Einladung. Ciao.
Speaker 2: Ich wünsche Danke, dass du zugehört hast und toll, dass du ein Teil von How I Met My Money bist. Wir hoffen dir hat diese Folge gefallen. ⁓ keine Folge zu verpassen, klicke einfach direkt auf den Abonnieren-Button auf Spotify, Deezer und Apple Podcasts. Für weitere Tipps und Tricks und Informationen, damit du dein Geld und dich besser kennenlernst, folge uns auf Instagram, Twitter, Facebook und LinkedIn. Dort kannst du uns auch immer schreiben, falls du Fragen, Feedback oder Themenwünsche hast. How I Met My Money wird gesponsert von der MyVac Finanzakademie. Spannende Online-Kurse für Deine finanzielle Zukunft zu ETFs, Immobilien und Altersvorsorge. Natürlich gibt's für dich Rabatt. Schau dafür einfach in die Show Note.